Protz Blitz

(c) Klaus Marion 1995

erschienen in VorSicht


Es ist nach 22 Uhr, die Kneipe war proppevoll, der Abend fortgeschritten, die Gäste leicht schwankend. Die Diskussion mit dem nervigen Zeitgenossen am Tresen steigerte sich in einer Weise, die langsam den Ausbruch von offenen Feindseligkeiten befürchten ließ. Zeit, einen rhetorischen Schlußpunkt zu setzen.

"Ich", erläuterte ich mit aller Würde des Wissenden, "ich habe recht!"

"Und ich", bemerkte mein Gegenüber mit einem betonter Lässigkeit, "fahre einen Maserati!"

Diesem niederträchtigen Schlag mit dem gezielten Hinweis auf offensichtlich vorhandenes Kleingeld schrie nach einer witzigen und geistvollen Entgegnung. Leider wollte mir nichts rechtes einfallen.

Die Gestalt verließ das Lokal, verfolgt von den bewundernden Blicken der umherstehenden Damen sowie einer Blondine am Arm. Die Wirtin verabschiedete ihn mit einem Küßchen, allgemeines Schulterklopfen mit anderen Gästen. Das laute Aufheulen des schweren Sportwagens und das betonte Gasgeben beim Anfahren waren demgegenüber nur noch als peinliches Nachtreten zu betrachten. Ich schlich mich von dannen.

Ganz offensichtlich genügt ein durchschnittliches Wedeln mit einem überdurchschnittlich gefüllten Bankkonto, um einen mit Mundgeruch behafteten Zwerg Werte in der allgemeinen Beliebtheitsskala erreichen zu lassen, der sonstigen Sterblichen nur nach der 3. Lokalrunde vergönnt ist.

Leider weist mein Konto keinerlei besonderen Deckungsbeträge auf, und auch ein Winken mit den höflichen Erinnerungen der Bank, an eine Umkehrung des einseitigen Zahlunngsverkehrs zu denken, trägt nicht zur Steigerung des Image bei.

Was bleibt?

Kultur. Kultur ist immer gut. Besonders schon deswegen, weil man mit wenigen Kniffen den angenehmen Ruf erlangen kann, kulturell voll auf der Höhe zu sein.

Kultur findet in den großen Zeitungen statt, zumeist auf Seiten, die äußerst schwer verständliche Artikel enthalten und mit dem merkwürdigen Begriff "Feuilleton" überschrieben sind.

In Zukunft beginnen wir also alle Sätze mit der Wendung "Wie ich gestern im Feuilleton der ZEIT gelesen habe..." , oder wir schließen unsere Ausführungen zu unserer persönlichen Meinung mit einem dezenten "was übrigens schon Thomas Müllermann in der SÜDDEUTSCHEN als auffallend richtig bezeichnete." FÖHJETO, mit einem gedehnten 'ö', das Wort SÜDDEUTSCHE bitte mit einem langen üüü sowie einen wegwerfenden Geste. Schließlich hat man ja schon besseres gelesen, n'est-ce-que pas?. Außer vielleicht dem Chefredakteur des jeweiligen Blattes kann auf die Schnelle sowieso keiner nachprüfen, ob ein Thomas Müllermann in diesem Jahrhundert überhaupt schon etwas schriftliches von sich gegeben hat. Und sollte sich ein Umherstehender erdreisten, hier einen dezenten Einspruch anbringen zu wollen, so muß er sich spitz fragen lassen, ob er das Blatt denn wirklich gründlich gelesen habe. Darauf kann man schlecht etwas antworten, was nicht nach einer trotzigen Kinderreaktion aussieht. Und schon gehört der Abend uns.

Ein erwähnen des SPIEGELS stärkt die Wirkung jeden Argumentes, mag es noch so blöde sein. In konservativen Gesprächskreisen bemühen wir lieber die FRANKFURTER, in linksintellektuellen Studentenkreisen sowie im Spartakus ist die TAZ ein echtes Muß. Übrigens niemals den Zeitungsnamen komplett erwähnen. Wer von der "Süddeutschen Allgemeinen Zeitung" spricht, zeigt deutlich, daß er sie bisher nur zum einwickeln von Feldgemüse verwendet hat. Ein kurzes "FAZ" ist intellektuell einfach unschlagbar.

Niemals Sorgen machen, in ein Gespräch über Zeitungsfragen verwickelt zu werden. Auf konkrete Detailfragen betreffs irgendwelcher Artikel reagiert man gelassen mit einem "ich mußte erst noch die letzte Ausgabe der ZÜRICHER nacharbeiten", schon ist die Situation mit einem Punktgewinn entschärft.

Frage im Gegenzug Dein Gegenüber, was er denn "vom neuen Focus halte". Soll doch er schwitzen und sich winden, um zu verbergen, daß er das Ding noch nie in der Hand hatte.

Fragen nach bestimmten kulturellen Details immer mit einem großzügen Gegenangriff beantworten. Ein "Was halten Sie denn von dem neuen Stück von Jan Fabre?" (Wer ist JAN FABRE??) läßt man mit einem bestimmten "Na, darüber brauchen wir wohl kein Wort zu verlieren" locker von sich abprallen, um mit einem tückischen "Wie würden Sie es denn im Vergleich zu seinem Erstlingswerk in Beziehung setzen?" einen gezielten Gegenangriff zu starten.

Ein absolutes MUSS ist die Kenntnis über die kulturelle Szene. Natürlich nicht in Bad Kreuznach. Denn erstens wäre es schwierig, hier etwas derartiges finden , und zweitens die Gefahr der Entdeckung viel zu groß, daß Du aber auch nicht die geringste Ahnung hast, wovon Du sprichtst.

Nein, Frankfurt sollte es da schon mindestens sein. Nimm Dir ein Telefonbuch und suche Dir den Namen einer Kneipe heraus, der möglichst ungewöhnlich klingt und weit außerhalb liegt.

"Also, der ÄPPELWOI-KELLER ist wirklich DAS Szene-In-Lokal der kulturellen Elite! Erst letztens habe ich doch dort glatt..." usw usw.usw. Keine Sorge, sollte sich doch dort einmal jemand hin verirren und später empört berichten, daß es sich hierbei um ein schauerliches Schunkellokal handeln würde, kann man jederzeit cool abwinken.

"Der ÄPPELWOI-KELLER? Vööliig out, hat den Besitzer gewechselt. Ne, der Alte Holzwurm ist im Moment das Szene-In-Lokal der kulturellen Elite. Erst letztens habe ich doch dort glatt..."

Sollte jetzt die Gesprächsrunde noch immer nicht von Deiner geistigen Kompetenz überzeugt sein, oder ein wirklicher Klasse-Gegner Deinem Esprit zu trotzen wagt, wird es Zeit, schweres Geschütz aufzufahren. Bemerke in jedem zweiten Satz, auf welcher "irren Vernissaaaage" du am Sonntag gewesen wärest, der Künstler sei ja "so wahnisinnig inspiriiiert" , und dann dieses Künstlertreffen am Montag, nein..."

Und wenn das alles nichts hilft?

Dann ziehe Deinen Schlüssel des Mitsubishi Lancer, Baujahr 1986, wedele damit Deinem Gegenüber vor der Nase herum, bemerke, daß Du jetzt lieber in Deinen Maserati steigst, als hier mit blödem Geschwätz Deine Zeit zu vertrödeln, umarme die Wirtin und ziehe von dannen. Bewundernde Blicke werden Dir sicher sein.

 

Klaus Marion


Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Last updated 98/05/03