Das letzte Gefecht

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Aus BEAM 8 spezial
© Klaus Marion April 1988

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Anfang der achtziger Jahre begann hier in Deutschland die Fantasy-Welle. Und wie ich feststellen mußte, ging diese Entwicklung auch am engsten Bekanntenkreis nicht spurlos vorüber....

Mein Hand lag noch auf der Klingel, als die Türe der Jahnstraße aufgerissen wurde.
"Oh, Entschuldigen Sie bitte..." murmelte ich überrascht, und war schon im Begriff, unauffällig das Weite zu suchen, als der in weißes Leinen gekleidete Mönch mich mit einem lauten "Bleib stehen" zum Stillstand brachte.
Ich blickte das Wesen genauer an.
Mönchskutte, ein umgegürtetes Breitschwert und ein finsterer, ins brutale spielende Blick. Sollte das Joachim Henke sein?
Ein Blick auf die rechte Hand beseitigte jeden Zweifel: Der durch exzessiven Videospielmißbrauch auf das doppelte angeschwollene Daumen und das ständige Zucken der gesamten Hand ließen eine eindeutige Identifikation zu.
"Joachim ... ?"
"Tritt ein, Unwürdiger" Er gab den Eingang frei, und ich bemühte mich, beim Eintreten möglichst viele Gegenstände zwischen mich und Joachim zu bringen.
Was war hier geschehen? Karnevalistische Vergnügungen waren jahreszeitlich eindeutig nicht angezeigt, und vor vier Wochen, vor meinem Urlaub, hatte Joachim noch einen ziemlich normalen Eindruck gemacht.
Ich betrat sein Zimmer. Überrascht blieb ich stehen. Ein großes Schild mit Wappen zierte die Wand, bester Stahl mit sauber gearbeitetem Handgriff. Ich sah genauer hin. Den Handgriff zierten 2 tiefe, eingeschnitzte Kerben. Ich versuchte unauffällig einen Blick ins Wohnzimmer zu erhaschen.
"Wie, äh geht es Deiner Mutter?"
"Blöde Frage, gut wie immer. Ist im Urlaub"
"Im Urlaub...aha." Mir wurde unbehaglich zumute. Wo war nur das Telefon gewesen...
"Ach, das Zeug ist einfach ungemütlich", meinte Joachim plötzlich und legte sein Breitschwert auf den Tisch.
"Weißt Du, seit 2 Wochen bin ich Mitglied in einem Fantasy-Club. Irre Sache"
Ich begann mich etwas zu entspannen, behielt aber immer noch das Schwert im Auge.
"Aha, da bist Du also als Kämpfer untergekommen..."

"Unsinn", unterbrach mich Joachim," natürlich gehöre ich zur Gilde der Weisen."
"Weißen?"
"Weisen!"
"Also elternlos..."
"Hör auf mich zu verulken. Ich bin Joachim der Denker und nicht gewohnt, von solch niederen Kreaturen wie Deiner Wenigkeit verulkt zu werden."
Ein unangenehmer Gesichtsausdruck hatte sich in dasselbe geschoben. Ich beschloß wieder etwas vorsichtiger zu werden.
Joachim bot mir einen Platz an.
"Joachim der Denker, ich habe Durst"
Befriedigt stellte mir Joachim ein Glas auf den Tisch. Nun, Joachim hatte in letzter Zeit einen gewissen Hang zur Fantasy gezeigt, aber jetzt ließ das Arnold-Schwarzenegger-Plakat an der Wand seine Body Building Stunden in einem ganz anderen Licht erscheinen. Ich schlürfte gedankenvoll an meinem Honigmet.
"Ich dachte immer, die Gilden von Geistesgrößen seien unbewaffnet. Und dann diese Zahnstocher ... ?"
Joachim reichte mir ein paar Knabbereien.
'Tja, die Gilde von KRZWODDL ist eben sehr intelligent!"
Ich weiß nicht mehr genau, wie die Gilde hieß, aber es klang in meinen Ohren wie KRZWODDL. Oder KRZWIDDL.
"Und was macht Ihr so als äh Weise?"
"Nun, wir treffen uns natürlich regelmäßig, halten Rat, trinken viel, feiern feste Feste, und organisieren Kampfspiele mit anderen Gilden und Völkern. Wir sind ein lustiges Völkchen!"
"Das glaube ich gern," bemerkte ich zweifelnd und ließ Joachim weitererzählen.
"Letzte Woche hatten wir einen kleinen Zwischenfall. Bei einem Treffen sollte der Knappe Ruugbur zum Ritter Ruugbur dem Gefürchteten geschlagen werden. Leider konnte unser Vorsitzende das Schwert mit ausgestrecktem Arm nicht so recht halten. 25 Kilo, weißt Du. Naja, beim Ritterschlag rutschte ihm das Schwert ein bißchen aus..."
"Und war er..."
"Aber nein. Halb so wild. Nur seinen Namen mußten wir ändern. Er nennt sich jetzt Ritter Ruugbur der Einarmige. Wirklich, wir haben immer viel Spaß!"
Ich beschloß, daß es dringend Zeit für mich wurde zu gehen.
Ich verneigte mich kurz.

"Also Joachim, äh, ich komme dann noch mal später mit den Urlaubsbildern zurück. Viel Spaß noch..."

"Gehe mit dem Segen der Wissenschaft, mein Sohn", intonierte Joachim feierlich.
"Und fall nicht über den Speer!"
Ich verschwand eilends.
Ich werde ihn noch mal besuchen müssen. So in zwei oder drei Jahren, vielleicht.

Es

 


Letzte Änderung - 12.07.98