Geschichten aus der Asimov-Kellerbar

Der Vertrag

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Aus BEAM 8 spezial
© Klaus Marion April 1988

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"Möchte zu gerne wissen, was das für eine Type da drüben ist."
Ich unterbrach die interessierten Beobachtungen an meinem Procyon-Cocktail und verschob die chemisch-physikalische Klärung des rhythmischen Farbwechsels des Getränkes auf einen späteren Zeitpunkt.
"Bitte?"
Es war schon spät am Abend, in der Asimov-Keller-Bar saßen nur noch die hartnäckigsten Stammgäste, und selbst mir schien es angeraten zu sein, zwecks dringend notwendiger Klärung meiner Gedanken langsam frischere Luft aufzusuchen.
"Junge, ich meine den Kerl da drüben, der seit 2 Stunden den armen Frank belabert. Ich tippe auf einen Versicherungsvertreter. Und Du weißt, wie leicht Frank zu überreden ist. Mir gefällt das nicht"
Ich blickte mich um. Tatsächlich. Der angehende Schriftsteller Frank Ausenstein schien in einen heftigen Wortwechsel mit einem verdächtigen Subjekt mittleren Alters zu stehen, dessen anzugmäßiges Äußeres tatsächlich an einen Versicherungsvertreter gemahnte. Zudem hatte diese Person vor nicht ganz einer halben Stunde seinen Lunatic-Flip mit der Bemerkung "E-k-el-haft, bitte lieber ein Pils" zurückgehen lassen, eine Tat, die in Rudis Gerechtigkeitskatalog ganz knapp hinter dem Verspeisen von gebratenen Kleinkindern eingeordnet ist, was bei Rudis bekanntem Gerechtigkeitssinn ohne weiteres diversen Zahnspezialisten ein zusätzliches, hochwillkommenes Zubrot einbringen konnte.
Nun ja, jeder spielt auf seine Weise mit dem Leben, und so nickte ich Rudi kurz zu und durchquerte den mit Zigarettenqualm geschwängerten Raum, der jeden Generalstab einer Bundeswehrnebelwerferbatterie in Bezug auf Sichtverhältnisse vor Neid erblassen lassen würde.
Ich lächelte Frank freundlich an und ließ mich an einem unbelegten Nachbartisch nieder, um der heftigen Diskussion folgen zu können, die da augenscheinlich im Gange war.
Der Herr im Anzug schüttelte energisch den Kopf.
"Nein, ich bin absolut nicht Ihrer Ansicht, daß John Brunners Stil mit dem von Johannes Mario Simmel in irgendeiner Weise vergleichbar ist. Solche Theorien scheinen mir dann doch sehr gewagt."
Da geriet er bei Ausenstein an den Richtigen. Mit einem Donnern fand dessen Glas seinen Weg zurück, zum Tisch.

. "Unsinn, alles Unsinn. Sie bleiben besser bei dem, was Sie verstehen, und ich bleibe bei dem, von dem ich etwas verstehe. Klar?"
Beide funkelten sich böse an, Prügel schienen in der Luft zu liegen. Ich räusperte mich vorsichtig.
'Äh, wenn ich stören dürfte, um was geht es eigentlich ... ?"
Frank warf mir einen tödlichen Blick zu.
"Ich habe diesem HERREN," er zog das Wort in die Länge wie amerikanischen Kaugummi, "klarzumachen versucht, was gute Literatur ist. Aber wem es nicht gegeben ist..."
Inzwischen war auch Rudi mit einer Bloody Mary herangetreten und verfolgte aufmerksam den Wortwechsel. Der Herr im Anzug seufzte und wechselte überraschend schnell das Thema.
"Wir wollen uns nicht streiten. Kommen wir noch einmal auf den Vertrag zu sprechen. Da wären noch die Zahlungsbedingungen mit den üblichen Klauseln. Zu unterschreiben bitte hier..."
Ich blickte Rudi gespannt an. Dessen Augenbrauen waren jetzt voll geflaggt und wackelten bedrohlich wie ein in Seenot geratenes Schiff.
Ich konnte seine Gedanken erraten. Frank Ausenstein in den Klauen eines gierigen Vertreters. Besondere Maßnahmen schienen angebracht.
Der Vertreter reichte gerade einige Schriftstücke über den Tisch, als Rudis Ellenbogen sich wie zufällig in die Geschichte einzumischen begann und die Papiere zielsicher in die Flamme der auf dem Tisch stehende Kerze lenkte. Über den weiteren Verlauf der Geschehnisse gibt es recht unterschiedliche Darstellungen, folgende Ereignisse ließen sich jedoch mit einiger Exaktheit verifizieren:
Durch den erschreckten Aufschrei des Anzugträgers verwirrt, überließ Rudi Gerstner die Bloody, Mary samt Glas dem freien Fall nach unten, welcher jedoch auf dem weißen Hemd besagten Anzugträgers ein jähes Ende fand. Dieser sprang entsetzt auf, wodurch Rudis linker Fuß in dem gei@ffneten Wildlederkoffer am Boden geriet. Um sein Gleichgewicht zu bewahren, begann Rudi Gerstner mit dem rechten Fuß zu wedeln, welcher daraufhin den Vertreter mit starken Schlägen tracktierte. Dieser setzte unter Zurücklassung aller mitgebrachten Gegenstände zu einer eiligen Flucht an, sich nicht um Rudis gemurmelte Entschuldigungen kümmernd. Wie und warum den armen Mann nacheinander 2 Stühle trafen, ist bis heute nicht eindeutig geklärt, und die Erklärung Rudis, nach dem er dem enteilciiden mit einem kurzen Ruck das Jacket zerissen hatte, er habe ihm nur seinen Koffer geben wollen, läßt gewisse Zweifel aufkommen. Nun ja.
Rudi hob die heruntergefallenen Papiere auf, las noch die Überschrift 'PabeiVerlag', tja, und dann beendete ein Tisch seine Flugbahn genau an Rudis Kopf, höchstpersz@nlich von Ausenstein geschleudert.
Ich habe Rudi heute im Krankenhaus besucht. Er versteht das Ganze immer noch nicht.
Der Arzt hat ihm jede Aufregung verboten, und so werde ich noch eine Weile warten müssen, bis ich ihm ein paar entscheidende Kleinigkeiten mitteilen kann.
Wie hätte Rudi auch wissen sollen, daß der Herr Walter A. Fuchs hieß und nur einen Vertrag über Frank- Ausensteins neuesten Roman abschließen wollte.
So spielt das Leben.
Eine Briefbombe von Frank konnte im Krankenhaus noch rechtzeitig entschäft werden.

 


Letzte Änderung - 13.07.98