Geschichten aus der Asimov-Kellerbar

Der erste Besuch

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Aus BEAM 8 spezial
© Klaus Marion April 1988

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Dies ist die erste Geschichte aus der Asimov-Keller-Bar. Diese Satiren, in denen eine SF-Kneipe und ihre Gäste eine besondere Rolle spielen, entwickelten sich zu einem Geheimtip in der Science Fiction Szene und beschertem dem Autor die Verleihung der Auszeichnung 'Science Fiction Fan des Jahres'. Viele Namen und Anspielungen sind natürlich nur verständlich, wer die Personen oder die angesprochenen Begebenheiten kennt.

"Was soll daß denn darstellen?"
Mißtrauisch beobachtete ich das Glas, dessen wild schäumender Inhalt stark ins grünliche spielte.
"Kann man das trinken?"
Rudi bedachte mich mit einem vernichtenden Blick und wischte mit einem schmutzigen Lappen über den sauberen Tresen.
Das merkwürdige Getränk hatte er mir unter dem Namen 'weganischer Sumopschneckendrink' kredenzt, eine Eigenentwicklung von ihm. Ich blickte mich erst einmal vorsichtig um. Ich befand mich in der 'Isaak Asimov Kellerbar', das erste Mal, wie ich gestehen mußte, obschon Rudi Gerstners SF- und Fantasy-Kneipe bereits seit 2 Wochen den Keller dieses etwas heruntergekommenen Altstadthauses verunstaltete.
Auf recht unbequemen Holzstühlen lümmelten sich ein halbes Dutzend Personen jüngeren Alters und tranken Seltsamkeiten undefinierbaren Inhalts. Ich selber hatte mich am Tresen auf einem dieser hohen Barhocker niedergelassen, die vermutlich schon die Schlacht bei Poßnitz 70/71 als Sperrmüll erlebt hatten.
Ich wandte mich wieder Rudi zu, dessen weißer Kittel ihm einen Anstrich von Seriosität vermittelte.
"Bist Du sicher, daß sich die Idee einer Science Fiction Kneipe durchsetzen wird, gerade in Bad Kreuznach? Mir erscheint der Andrang nicht so überwältigend zu sein."
Rudis lächeln zog sich noch mehr in die Breite und schien geradezu seine Ohren verschlucken zu wollen. Er beugte sich vor.
"Junge, ich habe die Marktlage hochwissenschaftlich analysiert und bin zu einer Gewinnerwartung von mindestens" seine Stimme sank zu einem Flüstern herab,
"von mindestens viereinhalb gekommen"
"Mark pro Jahr" flüsterte ich verstehend zurück.
"Tausender. Im Monat" Rudi war empört.
"Übrigens, mit einer Beteiligung von 5000 Emm würde ich Dich vielleicht sogar am Gewinn beteiligen..."
"Nein Danke." Ich lehnte höflich und bestimmt ab.
"Bist Du denn sicher, daß so viele Science Fiction Fans kommen werden?"
"Aber sicher. Was ich hier zu bieten habe, da kommt keiner mit... Komm mal her."
Er zog mich zur gegenüberliegenden Wand, wo ein junger Mann mit verrissenem Gesicht Wurfpfeile auf einer großen Scheibe verteilte.
"Meine Idee" erklärte Rudi stolz.
Ich ging etwas näher heran. Tatsächlich. Auf der Scheibe befanden sich statt Zahlen die Namen von diversen Verlagen. Heyne, Goldmann, Pabel...
"Das ist Frank Ausenstein. Jung-Autor."
"Angenehm"
Die Gestalt würdigte mich keines Blickes und schleuderte einen weiteren Pfeil. Er blieb im 'H' von Heyne stecken. 2 Zentimeter tief.
"Sein neuester Roman wurde abgelehnt" wisperte Rudi mir vertraulich zu. Er führte mich weiter. In einer Ecke standen mit Fotografien beklebte Bierdosen auf einem Tablett, davor eine Schranke, auf der Tennisbälle lagen.
"3 Wurf 50 Pfennig" erläuterte mir Rudi. Ich erkannte auf einer Dose Horst Hoffmann.
"Alles Perry Rhodan Autoren. Für langjährige Fans."
"Sehr geschmackvoll" bemerkte ich zweifelnd, während er mich zu einem Fernseher führte, auf dem ein Telespiel zu flimmern schien. Das Spiel hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit CENTIPEDE, nur bestand der angreifende Wurm statt aus einzelnen Beinsegmenten aus Buchstaben.
"Du schießt mit dem Steuerknüppel auf den Wurm. Wenn alle Buchstaben getroffen wurden, gibt es Sonderbonus, und der nächste erscheint. Immer scheußlicher.
2 mir vage bekannte Science Fiction Fans waren schwer kämpfend am Apparat tätig. Als sie eine weitere Angriffswelle abgeräumt hatten, erschien ein neuer Buchstabenwurm. Der eine Spieler schrie panikerfüllt auf, das Getier mußte wohl äußerst schrecklich sein. Ich entzifferte den Namen Klaus N. Frick.
"Ja, darauf bin ich besonders stolz. Ein ganz großer Hit. Immer Aktuell. Jedes Ekel der Science Fiction ist dabei.
Wir kehrten zur Theke zurück. Mein Drink hatte derweil eine ins violette spielende Farbe angenommen, und gelbe Punkte bewegten sich träge auf und ab.
"Prost" meinte Rudi und trank aus einem Becher mit rotem Inhalt. Ich zog es vor, meinen Drink unauffällig dem Blumentopf zu kredenzen und bestellte erleichtert ein Pils. Rudi bezweifelte zwar lautstark die Existenz eines solchen Getränkes, ließ sich jedoch unter Androhung körperlicher Zwangsmaßnahmen murrend zum kredenzen eines Bitburgers überreden. Danach sprach er demonstrativ nicht mehr mit mir und verschwand für einige Zeit in einem Nebenraum.
Anscheinend hatte ich Ihn in seiner Barmixer-Ehre beleidigt, denn einige Tage später erschien mein Name als besonders ekelhafter Wurm auf dem Telespiel.
Der Abend neigte sich seinem Ende zu, und so verabschiedete ich mich schließlich nach Hause.
Hier gehe ich öfters hin.


Letzte Änderung - 12.07.98