Geschichten aus der Asimov-Kellerbar

Gedanken zu einem ernsten Thema

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Aus BEAM 8 spezial
© Klaus Marion April 1988

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"Das Leben für einen SF-Fan ist brutal und hart!"

Rudi blickte mir tief in die Augen und nahm betrübten Gesichtes einen tiefen Schluck aus seinem Glas. Ich nahm einen zweifelnden Gesichtsausdruck an.

"Doch, das ist so. Echt!"

Ich betrachtete meinen Cocktail, der von Rudi als 'Sturgeon's Cup' bezeichnet , von meinen Geschmacksnerven aber eindeutig als Old Fashioned, verdünnt mit etwas Orangensaft identifiziert wurde. Nun, Rudi Gerstners Asimov-Keller-Bar existiert immer noch, trotz Unkenrufen allenthalben und den mißtrauischen Blicken der Bank, die Rudis Lebenswandel unter Berücksichtigung der Rückzahlung ihres Kredites auf Schritt und Tritt zu überwachen pflegt.

Es war kurz vor Mitternacht, die letzten Gäste unterhielten sich lautstark und angeregt, an einem Ecktisch erkannte ich unter dem Asimov-Plakat den immer noch angehenden SF-Schriftsteller Ausenstein, der mit Joachim Henke Bierchen-Versenken spielte. Ein interessantes Spiel, das 2 DIN A4 Blätter und 2 Bleistifte benötigt und das in gewissem Sinn etwas an Schiffe-Versenken erinnert: Ein abgeschossener 2er = 1 Bitburger Pils, ein 3er = 1 Weizenbier, ein 4er = ein Doppelbock. Der 1er bringt lediglich einen Friesengeist.

Das Spiel gilt in eingeweihten Kreisen als Leberkiller und wird in zwei Runden gespielt. In der ersten Runde darf der erfolgreiche Schütze die Treffer trinken, in der zweiten Runde muß er trinken. Ein Spiel, das viel Laune bereitet, besonders beim Wirt.

"Was hattest Du gerade gesagt?"

"Ich sagte, daß das Leben als SF Fan hart ist!"

Ach ja. Ich versuchte mich wieder auf mein Gespräch mit Rudi zu konzentrieren, ein Unterfangen, das durch fortgeschrittenes Probieren von diversen Mixgetränken etwas erschwert wurde.

"Das mußt Du mir erklären. Wie schmeckt ein Ringwelt-Fizz?"

"Gut. Das ist doch eindeutig, was ich meine. Überleg doch mal, Du triffst ein paar neue Leute, das Gespräch kommt auf Hobbies.

Der eine erzählt von seinem Leben als Kaninchenzüchter. Allgemeine Anteilnahme. Ein anderer sammelt Bierdeckel. Fachmännisches Nicken. Der dritte klettert zum Spaß auf Berge und hat mal wieder einen Gipsfuß, weil er von einem runtergefallen ist. Bewunderndes Blitzen in den Augen vor allem der holden Weiblichkeit.

 

Und dann? Dann sage ich, also ich bin SF-Fan... Im besten Fall ein betretenes 'ah ja?', man bestellt ein Bier und wechselt das Thema.

Ab und zu findet sich mal einer, der fragt neugierig, was wir da so machen, und dann erzähle ich von Cons und Fanzines, und der andere schüttelt höflich den Kopf und bemerkt, daß das doch ein sehr komisches Hobby sei. Wahrscheinlich sammelt er selber aufgespießte Schmetterlinge, und der Typ links neben Dir, der dem anderen zustimmt, ist der Vorsitzender des Modelleisenbahnsammelclubs, der nur rot-gelbe Waggons in ihren Beständen duldet."

"Nee nee, es ist schon so," wehrte Rudi einen Einwand von mir ab und füllte meinen fertig gemixten Drink mit Eisschnee auf.

"Betrachte es realistisch. Du kannst als Hobby haben was Du willst, den Leuten ist es egal, gib aber Science Fiction an, dann bist Du als geisteskranker Spinner verschrien."

Er zeigte in die Ecke, wo eine Reihe jugendlicher Zecher die Krüge hochleben ließen.

'Trinksportgruppe Laubenheim, e.V.. Was willst Du da noch sagen? Sind natürlich ganz nette Leute, doch trotzdem."

Die Trinksportgruppe hält ihre wöchentlichen Trainingsstunden immer bei Rudi ab...

"Aber Rudi, pfeif doch auf die Meinung der Leute. Wen juckt's?"

Rudi Gerstner stellte mir einen grün schillernden Ringwelt-Fizz auf die Theke.

"Natürlich brauch’s Dich nicht zu jucken. Aber wie sieht's denn wirklich aus? Du willst in einem großen Betrieb eine Stelle. Der Personalchef spricht freundlich mit Dir, und Du hast das angenehme Gefühl, jetzt klappts endlich. Der nette Mann lehnt sich zurück, betrachtet Dich wohlwollend, was sind denn so Ihre Hobbies, äh, Science Fiction? Perry Rhodan?? Hmmm. Science Fiction Cons??? Also, wir geben Ihnen dann Bescheid. Der nächste bitte...

Schon bist Du draußen und denkst, Du hättest vielleicht doch lieber 'Tauben züchten' angeben sollen. Und ich rede gar nicht von den Mißverständnissen, wenn die alte Oma am Kiosk bei der Frage nach Science Fiction Dir den Regenschirm um die Ohren haut oder in die unterste Schublade zu den 'schwüle Nächte in Oberbayern' greift. Wie schmeckt der 'Ringwelt'?"

"Es geht."

"Hm. Nicht einmal auf literarische Ambitionen kann man sich berufen. Science Fiction ist Schund und bleibt Schund. Da ändert für die Masse kein Asimov und keine Zimmer-Bradley. Ist dann ein Buch einmal erfolgreich, dann ist es "eine brillante Neuerzählung der historischen Artussage" und keine Science Fiction. Fantasy geht ja noch an, aber SF? 1984 ist ein SF-Roman, auch wenn ich ihn nicht besonders gut finde. Und was wird daraus? Eine 'gesellschaftskritische Sozialutopie' oder so was. Bezeichne die "Schöne neue Welt" einmal als Science Fiction, und der dir nächstens sitzende Anglist wird Dich kreuzigend an die Wand nageln."

Rudi trank einen tiefen Schluck und beobachtete Ausenstein, der den total benebelten Joachim Henke ins Freie schleifte.

 

 

, "Uns fehlt das richtige Auftreten. Nix pseudo-seriöse SFCD-Vorstands-Pressemitteilungen. Da fehlen Aktionen mit Pep.

Z.B. eine Aktionswoche SF. Große Demonstrationszüge durch die Innenstädte aller Deutschen Metropolen, Sitzstreiks vor den großen Buchhandlungen. Hans Jürgen Mader beginnt einen Hungerstreik zur Erlangung der Gemeinnützigkeit für seine Person. Der SFCD formiert sich in eine politische Partei um und verlangt bei der nächsten Regierungsbildung mit einem Literaturminister berücksichtigt zu werden.

Vor dem Bundestag werden Bilder von Grass und Simmel verbrannt, eine Aktionsgruppe "Kirche im Weltraum" beantragt die Seligsprechung von Clark Darlton..."

"Aber der lebt doch noch?"

"Das ist wurscht. Autonome Buchzellen und Verbände gegen Buchversuche werden gegründet und befreien 2 Science Fiction Romane aus dem Pabel-Verlag. Die Ortsgruppen des SFCD organisieren eine Bücher-Wehr, die Übergriffe von Science Fiction Gegner auf Taschenbücher an Bahnhofskiosken verhindern soll.

Die Bundestagswahl bringt der Deutschen Science Fiction Partei (DSFP) knapp 61 % der Stimmen, der Gesetzentwurf zur Schaffung eines ständigen SF-Beauftragten scheitert nur knapp. Die Gewerkschaften erkennen die Lage und verlangen einen 4,2 prozentigen Lohnaufschlag mit SF-Taschenbuchzugabe für besser Lesende. Die Rekruten der Bundeswehr werden auf die drei Asimovschen Gesetze vereidigt, das Austauschen des Bundesadlers gegen das Profil von Brian Aldiss stößt nur kurze Zeit auf Widerstand. Der Schulunterricht wird um das Fach Literaturkunde erweitert, der Abzählreim 'Ene mene Maus, Bradbury ist raus' entwickelt sich zum Schlager der Saison. Kinder werden Isaak oder Perry getauft, die Gummiknüppel der Polizei gegen gummierte Hardcoverausgaben von 'Welt der tausend Ebenen' ..."

Der Arm des Gesetztes tippte auf Rudis Schulter. Rudi blickte verwirrt auf.

"Sperrstunde seit 10 Minuten."

Der Polizist blickte mich streng an.

"Schließen sie ab und bringen sie den Wirt nach Hause. Ist ja geistig völlig verwirrt. Und das schon das 5. mal in diesem Monat. Ich sag meinen Kindern auch immer, diese Schundromane sind einfach nichts für einen jungen Geist..."

Ich blickte ihm nachdenklich nach.

Vielleicht könnte Rudi ja doch recht haben.

 

 


Letzte Änderung - 12.07.98