Geschichten aus der Asimov-Kellerbar

Eine Frage der Taktik

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Aus BEAM 8 spezial
© Klaus Marion April 1988

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Das SF-Fandom wimmelt von angehenden Autoren, die alle den Gipfel des schriftstellerischen Olymps erklimmen wollen.
Zu den schlimmsten Schlägen, die einen hoffnungsvollen Jungautor treffen können, zählt daher die Ablehnung eines Romanes seitens des Verlages. Doch es gibt darüber hinaus noch etwas viel Schlimmeres...

Wie jeden Mittwochabend hatte ich mich wieder im Asimov Keller eingefunden. Das Lokal war schon recht gut gefüllt, diverse mir bekannte Fans räkelten sich auf ihren Stühlen und schlurften Rudi Gerstners Spezialdrinks. Im Hintergrund dezente Space-Music, die Zusammenstellung wieder einmal fernmündlich durch Wolf von Witting.
In der Ecke saß gänzlich allein Frank Ausenstein, der hoffnungsvolle Jungautor am deutschen Science Fiction Himmel.
Mit einer schnellen Handbewegung bestellte ich bei Rudi einen Wega-Flip, dessen Zusammensetzung bis heute unbekannt ist, von dem aber gemunkelt wird, daß die zuständigen Gesundheitsämter bereits Nachforschungen eingeleitet hätten.
Ich setzte mich Frank gegenüber und begrüßte ihn mit einem saloppen 'Hallo', das von ihm jedoch lediglich durch ein gereiztes Kopfnicken beantwortet wurde. Danach versank er wieder in dumpfes brüten.
Da kam auch schon Rudi mit einem dampfenden, gelblich grünen Getränk in einem bauchigen 0,2 1 Glas und setzte sich zu uns.
"Frank ist etwas nervös diese Woche. Vor acht Tagen hat er sein neuestes Werk an den Heyne-Verlag geschickt, gestern kam die Antwort. Es war ein harter Schlag für ihn."
Wie zur Antwort begann Frank konvulsivisch zu zucken und versuchte seinen Kopf unter den Armen zu verstecken.
Ich betrachtete ihn mitleidig.
"Kann ich verstehen. So eine Ablehnung ist immer ein harter Schlag..."
"Wieso Ablehnung? Er soll morgen ins Lektorat kommen."
Ich war verwirrt.
"Und wieso ist er dann nervlich so am Ende?
Frank weinte jetzt hemmungslos. Rudi versah mich mit einem vernichtenden Blick-.
"Ist doch ganz einsichtig. Stell Dir vor, er fährt hin, sitzt dem Lektor gegenüber, spricht über seinen neuen Roman, dann ein falsches Wort, der Lektor steht auf, schüttelt bedauernd den Kopf.. und dann steht er da. So kurz vor dem Ziel gescheitert. Und da wärest Du nicht verzweifelt? Nicht wahr, Frank?"
Ein gequälter Aufschrei entrang sich seinen spröden Lippen.
"Ich ... ich bin am Ende. ich weiß keinen Rat mehr. Was soll ich nur tun. Ich glaube, ich erschieße mich besser"
Mir schoß der Gedanke durch den Kopf, daß das wohl die beste Lösung sei, nötigte Ausenstein dann doch wieder zum hinsetzen.
"Rudi, Du hast doch schon öfters mit SF-Größen zu tun gehabt. Weißt Du kein Rezept für seinen richtigen Auftritt?"
Rudi blickte Frank noch einmal durchdringend an. Dessen blutunterlaufene Augen schienen doch etwas Mitleid in seiner Brust zu wecken. Seufzend nahm er einen tiefen Schluck aus seinem Glas.
"Frank, wie hast Du Dir Deinen Auftritt denn vorgestellt?"
"Nun ja, ich kaufe mir einen Anzug, lasse meine Haare in Form bringen, schneide den Bart kurz, nehme ... nehme..."
Ein vernichtender Blick seitens Rudi brachte ihn zum verstummen.
"Frank, Du bist ein hoffnungsloser Fall. Die Zeiten sind passe. Junge, wilde Autoren sind gefragt. Also, die Haare bleiben wie sie sind, nur am rechten Ohr werden sie kurz geschoren. Die Haare links werden Schwarz-Rot-Gold eingefärbt und anschließend im roten Bereich leicht angesengt. Eine Anarcho-Tätowierung im Gesicht wäre sicherlich ideal." Sinnierend betrachtete er die auf dem Tisch liegenden Stricknadeln.
"Ja, dann erscheinst Du natürlich mit nacktem Oberkörper, barfuß. Sage jedem, daß Du schwitzt und Temperatur eine existentiell relative Frage sei."
"Aber ... es ist November" begann Frank zaghaft einzuwenden, der Einwand wurde von Rudi jedoch mit einer Handbewegung beiseite gewischt.
"Egal. Für den Bucherfolg muß man Opfer bringen. Du wirst ein Fahne schwingen und Dich nur in Paarreimen äußern. Oder besser, Du jodelst alles. Wenn Dich der Lektor fragen sollte, erkläre ihm, daß Du gegen die beginnende Vereinsamung im innergesellschaftlichen Raum demonstrierst und Dein Werk eine brutale Anklage gegen die Bundesregierung ist. Das sichert Dir mindestens eine doppelt so hohe Startauflage"
"Aber mein Buch spielt doch gar nicht auf der Erde ... ?"
"junge, das ist doch Oberhaupt nicht entscheidend. Wer liest denn heutzutage noch Bücher? Deine sowieso niemand. Alles kommt auf das Image an. Man stellt sich heutzutage einen Autor in den Bücherschrank, und nicht ein Buch. Auffallen ist wichtig. Verprügle kurzerhand den Portier, setze Dich auf den Tisch des Lektors und verlange erst einmal Deinen Anwalt."
"Und Du meinst, daß ist der richtige Weg?"
"Unbedingt wild und progressiv mußt Du wirken. Erkläre, daß Deine Tantiemen auf Dein Schweizer Nummernkonto überwiesen werden sollen. Deute an, daß Du über das Liebesleben des Verlagsdirektors genauestens informiert bist. Zertrümmere ein paar Fenster im Verlagsgebäude und bemerke nebenbei, daß Du für die Grünen als Kanzlerkandidat nominiert werden wirst. Mach Welle."
Frank Ausensteins Gesicht hatte sich hoffnungsvoll aufgehellt. Hastig schüttete er sein Getränk in sich hinein, dankte Rudi für seine aufopferungsvollen Ratschläge und küßte ihm die Füße. Dann zog er von dannen.

Ein paar Tage später hörte ich, daß sein Roman abgelehnt worden sei. Gerüchte wollten wissen, Ausenstein habe sich im Anschluß erschossen. Wie Rudi mir erklärte, sei das kein Wunder. Junge Wilde seien schon lange nicht mehr gefragt.

 


Letzte Änderung - 12.07.98