Tagebuch eines Herausgebers

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Aus BEAM 8 spezial
Erschienen in FANDHOME WHEEKLY 50 (1982)
© Klaus Marion April 1988

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Die zeitweise Herausgabe des wöchentlichen Nachrichtenfanzines FANDHOME WHEEKLY stellte den Autor im jugendlichen Alter vor Aufgaben, denen er nur teilweise gewachsen war und die ihn zum Verfassen des nachfolgenden Artikels veranlaßten.

Montag

Um 5 Uhr Morgens steht der durchschnittliche Science Fiction Fan auf und tappt zur Schreibmaschine, um für ein ihm bekanntes SF-Fanzine 2 Artikel zu schreiben.

Erst gegen 7 Uhr30 wird er soweit wach, um zu bemerken, daß er seit Stunden ohne Farbband tippt.

Den Vormittag verbringt er auf der Suche nach den neuesten SF-Romanen in den verschiedenen Buchhandlungen. Der Versuch auf Rechnung zu kaufen, scheitert kläglich. Man kennt ihn. Und leider ist der durchschnittliche SF-Fan mal wieder absolut pleite.

Der Nachmittag ist angefüllt mit dem Schreiben von Briefen, das Geld für die Briefmarken wird durch den Vermerk 'Gebühr zahlt Empfänger' gespart.

 

Dienstag

Der Terminkalender sieht für 9 Uhr ein Treffen mit seiner Freundin vor, obwohl der SF-Fan sich nicht mehr definitiv erinnern kann, wann er sie zuletzt gesehen hat. Gegen 1 Uhr stellt sich endlich heraus, daß es sich um den Terminplan des letzten Jahres gehandelt hat. Jetzt fällt ihm auch plötzlich wieder ein, daß sie ja bereits vor Monaten entnervt ihre Beziehung fristlos beendet hat.

Den restlichen Vormittag verbringt er mit dem Kassieren von Belohnungen für das Finden von entlaufenen Hunden, die er selbst entwendet hat. Das Knurren seines Magens macht ihn darauf aufmerksam, daß er seit Tagen nichts mehr gegessen hat. Da er in Zeitnot ist, prügelt er sich mit einem kleinen Jungen um dessen Butterbrot. Leider dauert die Behandlung seiner erlittenen Verletzungen bei einem Arzt so lange, daß er beim abendlichen Stammtisch nur kurz für wenige Minuten vorbeischauen kann. Der Wirt macht ihn auf die noch offenstehende Zeche aufmerksam.

Nach gelungener Flucht setzt er sich an seine Schreibmaschine und beginnt Matrizen für sein Fanzine zu betippen.

 

Mittwoch

Früh am Morgen muß er erkennen, daß er es versäumt hat, die Schutzblätter aus den Matrizen zu entfernen. Sein animalisches Gebrüll veranlaßt einen unschuldigen Zeitungsausträger zur eiligen Flucht. Vormittags ist ein Treffen mit befreundeten SF Fans geplant, in dem betreffenden Café wird er durch die Anwesenheit zweier Mitschüler an die Tatsache erinnert, daß er schon seit 2 Wochen keinen Unterricht mehr besucht hat. Er merkt sich einen Termin für die kommende Woche vor.

Ein Mittagessen ist daheim leider nicht möglich, da vor seinem Elternhaus ehemals befreundete Gläubiger lauern, die seit Monaten Geld von ihm erhoffen.

Gegen 15 Uhr eröffnet der SF-Fan bei allen ansässigen Banken neue Girokonten und überzieht sie jeweils um 50 DM. Dafür kauft er sich die neuesten Heftromane und erfährt vom Buchhändler, daß er sich vor Monaten für knapp 300 DM Taschenbücher bestellt hat. Der SF-Fan macht eine Anzahlung und verpfändet seine Armbanduhr und einen Schuh.

 

Donnerstag

Kurz nach Sonnenaufgang erwacht der SF-Fan frierend auf einer Parkbank. Die Menge seiner Gläubiger hat sich in Schichten zu 2 Personen eingeteilt und hält sein Haus unter Beobachtung.

Um den schon für den vorigen Tag fertig zu stellenden Artikel endlich abzutippen, begibt er sich mit seiner Schreibmaschine, die er immer dabei hat, in den Aufenthaltsraum der Schule und beginnt, wie rasend zu tippen. Die Reaktionen seiner Mitschüler sind eher negativ, zumal sich unter diesen einige befinden, die ihm Geld für die verwendeten Matrizen geliehen haben. Die Flucht gelingt ihm nur unter zurücklassung der Schreibmaschine.

Leider begegnet ihm auf dem Gang sein Sozialkundelehrer und schleift ihn in ein leerstehendes Klassenzimmer. Er legt ihm noch 4 zu schreibende Klassenarbeiten vor, gibt ihm 8 Stunden Zeit und verschwindet unter Verschließung der Tür nach draußen.

Im Verlaufe von 90 Minuten gelingt es dem durchschnittlichen SF-Fan endlich, sich aus dem 3. Stock zur Erde hin abzusehen.

Die Freude, daß die Gläubiger sich anscheinend zurückgezogen haben, wird durch die Tatsache getrübt, daß seine Eltern ihn nicht erkennen und als vermeintlichen Penner vor die Türe setzen.

Er schläft wieder im Park. Es regnet.

 

Freitag

Das Bedürfnis, endlich wieder einmal etwas zu essen, wird übermächtig. Als er von

einem Schwächeanfall in der Fußgängerzone zu Boden sinkt, legen ihm mitfühlende Passanten Geld vor die Füße. Erst jetzt bemerkt er, daß ja einer seiner Schuhe fehlt. Mit dem eingenommenen Geld kauft er sich ein paar Brötchen, die ihn übersehen lassen, daß sich von hinten ein Rollkommando von Fans nähert, denen er vor Monaten ein 20-er Abo für ein Fanzine gegen Vorkasse verkauft hat, dessen erste Nummer immerhin schon in der Planung existiert. Durch seine Müdigkeit geschwächt, kann er den Marterungen nicht lange Widerstand leisten und stellt einen Scheck aus.

Ärgerlicherweise hält man ihn solange fest, bis feststeht, daß der Scheck definitiv nicht gedeckt ist. Er wird noch einmal verprügelt und unter lauten Flüchen entlassen. Ein Ambulanzwagen liest ihn auf. Endlich kann er schlafen.

 

Samstag

Gegen Mittag erwacht er und verläßt unauffällig die Krankenstation. Es gelingt ihm, Zuhause einzusteigen und den Umdrucker zu entwenden, bevor die Eltern es bemerken und ihn für einen Einbrecher halten.

Die Flucht gelingt.

Unterwegs bemerkt er, daß ihm noch eine Rezension für sein Fanzine fehlt. Er kauft sich ein Taschenbuch, muß aber feststellen, daß ihm keine Zeit verbleibt, es zu lesen. Er findet eine Zeitung, ändert die Fernsehkritik zu einem politischen Magazin darin etwas um, und hat seine Buchrezension fertig. Wenn er Glück hat, wird es keiner merken. Die kurbelnden Bewegungen an seinem Umdrucker rufen im Bahnhofgebäude leichtes Erstaunen hervor, doch bevor die Bahnpolizei auf ihn aufmerksam wird, hat er sein Fanzine abgezogen.

 

Sonntag

Der Einbruch in ein Schreibwarengeschäft verhilft ihm zu 80 Briefumschlägen, in die er sein Fanzine eintütet und in die Briefkästen wirft. Dann bricht er zusammen.

Doch er hat es wieder einmal geschafft.

FANDHOME WHEEKLY ging rechtzeitig in den Versand.

 


Letzte Änderung - 12.07.98