Software und Raubkopien

erschienen in: DIALOG 2/95  © Klaus Marion


Da steht er jetzt vor einem, der schöne neue PC, frisch aus der Verpackung. Angeschlossen ist er schon.und wartet darauf, den Schreibtisch durch den Einsatz von Software aller Art zu entlasten.
Ach ja, die Software - da hat doch freundlicherweise der Kollege einem leihweise seine Installations-CD ausgeliehen. Also kein Problem, Installation starten, und ran an die Arbeit.
Die Tatsache, daß die Software, die man sich da gratis auf den Rechner geschaufelt hat, im Handel nicht unter 1.400,- DM zu haben ist, verursacht interessanterweise den Wenigsten irgendwelche moralische Bauchschmerzen (eine ethische Grenzsituation, die wohl am ehesten mit dem Ausfüllen der Einkommenssteuererklärung zu vergleichen ist). Dabei ist die rechtliche Lage ganz eindeutig: Es handelt sich dabei um den Diebstahl geistigen Eigentums und wird gemeinhin als Raubkopie bezeichnet. In dem Wörtchen 'Kopie' liegt denn wohl auch der tiefere Grund für diese Unbekümmertheit, wird dem Eigentümer doch nichts entfernt oder entwendet, nein, es wird eine zusätzliche, neue Kopie erstellt. Und den Schaden durch nicht realisierten Kauf wischt man vor dem eigenen Gewissen mit der Überzeugung beiseite, bei Bezahlungszwang das Produkt sowieso nicht gekauft zu haben.
Nach konservativen Schätzungen kommen auf eine im Handel erworbene Software ca. 100 (Raub-) Kopien. Besonders bei Massensoftware, den Büro-Standardpaketen, ist diese Rate besonders hoch.
Auf der anderen Seite machen die großen Softwaregiganten wie Microsoft oder Lotus durch ihr Verhalten auch keinen Hehl aus der Tatsache, daß sie bei der Verfolgung der ihnen entgangenen Umsätze durchaus unterschiedliche Maßstäbe anzulegen bereit sind.
Wird die Raubkopie zu privaten Zwecken meist toleriert in der Hoffnung, sich hier den kommerziellen Nutzer der Zukunft heranzuziehen, geht man gegen Raubkopierer, die ihre Kopien in Gewinnabsicht verkaufen, hart vor. Aber auch Firmen, die die raubkopierte Software zu kommerziellen Zwecken einsetzen, können mit keinem Pardon rechnen. Im begründeten Verdachtsfall zieht das dann unter Umständen teure Abmahnungen, Schadensersatzprozesse und den Einsatz der Staatsanwaltschaft vor Ort nach sich.
Wie hierbei die Apotheke einzustufen ist, läßt sich schwer zu sagen. Trotzdem allemal ein Grund, sich ein paar Gedanken über die rechtliche Situation zu machen.

Der offzielle Kauf
Wird die Lizenz offiziell gekauft, ist damit das Recht verbunden, die Software einmal zu installieren und zu betreiben. Das Anlegen von Sicherheitskopien gilt inzwischen als erlaubt. Bei Netzwerksoftware wird lizensiert, wie oft das Produkt auf den angeschlossenen Arbeitsstationen betrieben werden darf. Dabei gibt es Beschränkungen nach Anzahl der möglichen Arbeitsplätze, oder nach Anzahl der gleichzeitig betriebenen Programmkopien.
Derartige Lizenzen von Standardsoftware dürfen Sie, falls nicht vertraglich anderes geregelt, selbstverständlich auch weiterverkaufen - Vorausgesetzt, sie löschen alle Kopien von ihren eigenen Rechnern.
Das gute Gewissen, alles Legal zu betreiben, hat natürlich seinen Preis: Bürosoftware als Einzelplatzversion ist da schon mal locker im vierstelligen monetären Bereich angesiedelt.

Als Bundle
Vielen Rechnern wird kostenlos oder gegen einen kleinen Aufpreis ein Softwarebundle beigelegt, ein Sortiment mehr oder weniger sinnvoller Software. Eine Standardbeigabe ist z.B. WINDOWS oder das DOS (ja, auch die muß man eigentlich bezahlen), Ketten wie VOBIS bieten für wenig Geld Micosoft WinWord oder EXCEL an. Dabei handelt es sich um Vollversionen mit vollem Funktionsumfang, aber zumeist ohne oder nur mit rudimentärer Dokumentation.
Bei diesen Bundles versuchen die Lieferanten oft, eine Bindung der Software an den Rechner durch zu akzeptierende Vertragsbedingungen zu erreichen. Ob dies tatsächlich ein rechtlich verbindliches Weiterveräußerungsverbot begründet, vermag ich nicht zu sagen. Trotzdem lohnt es sich, einmal einen Blick auf die Bedingungen zum Einsatz der Software zu werfen.

SHAREWARE
In aller Munde. Programme, meist von Amateuren geschrieben (deswegen nicht schlechter als kommerzielle Software), die ihre Programme auf CD-ROM oder über Mailboxen verteilen, um mit dem Nutzer auf der Basis von "Du probierst 4 Wochen aus, danach mußt Du zahlen" einen Deal abzuschließen. Der Betrag ist meist sehr niedrig, eine Überwachung gibt es nicht, der Programmautor ist auf die Ehrlichkeit des Anwenders angewiesen. Als Bonbon zum Zahlen gibt es dann meist einen Support bei Problemen, erweiterten Funktionsumfang oder ähnliches.
Aufgepaßt: Für kommerzielle Nutzung sehen die Autoren meist einen deutlich höheren Betrag vor. Und per Definition dürfte der Einsatz innerhalb einer Apotheke zu betrieblichen Zwecken immer als kommerziell zu werten sein!
Letztendlich prüft das aber keiner nach. Es ist eine Frage des eigenen Gewissens, ob man seinen Obulus bezahlt oder nicht.

Freeware
Software frank und frei. Die Autoren geben ihre Programme zum Gotteslohn oder zur Schmeichelung des eigenen Egos weiter. Aber: auch hier kann es einen Passus gegen die Nutzung zu kommerziellen Zwecken geben!

Dongle-Ware
Sie gibt es noch, die Software mit dem Stecker. Meist recht teure Software, die nur dann auf dem angeschlossenen Rechner läuft, wenn auf einen bestimmten Port (seriell oder parallel) ein Spezialstecker gesteckt wird, der auf Anfragen des Programms bestimmte Signale zur Identifizierung zurückgibt.
Fehlt der Stecker, funktioniert das Programm nicht.
Natürlich eine sehr wirksame Methode, um eine unkontrollierte Weitergabe des Programmes durch kopieren zu verhindern. In diesem Zusammenhang möchte ich auf zwei wichtige rechtliche Wertungen hinweisen, beide vor verschiedenen Gerichten ergangen:
1) Das Ändern des Programmcodes, um einen Start ohne Dongle zu ermöglichen, ist strafbar! Das gilt auch für den Einsatz von diversen herumvagabundierenden Hilfsprogrammen, die so etwas automatisch erledigen.
2) Es besteht kein Rechtsanspruch auf Ersatz eines verloren gegangenen Dongles! Dieses (umstrittene) Urteil besagt, daß der Verlust des Dongles durch den Lieferanten nicht gegen Selbstkostenpreis ausgeglichen werden muß. Im schlimmsten Fall ist noch einmal des gesamte Kaufpreis zu entrichten.

Fazit
Beim Einsatz in der Apotheke sollte man nur Software einsetzen, deren rechtlicher Erwerb auch nachgewiesen werden kann. Zwar hat sich bisher kein großer Softwareherstellen von Standard-Software auf Betriebe dieser Größenordnungen eingeschossen, doch kann es nach einer gewissen Marktbereinigung durchaus dazu kommen, daß nicht nur Großbetriebe von Microsoft & Co. mißtrauisch unter die Lupe genommen werden.